Wahlanfechtung wegen Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot wegen fehlender Bekanntgabe von Zeit und Ort der Stimmauszählung

 

Durch das Gebot der Öffentlichkeit sollen Interessierte die Möglichkeit erhalten, die Ordnungsmäßigkeit der Feststellung des Wahlergebnisses beobachten zu können. Zur Herstellung dieser Beobachtungsmöglichkeit ist es erforderlich, dass Ort und Zeit der Öffnung der Wahlumschläge nach § 12 Abs. 1 SchwbVWO rechtzeitig vorher bekannt geben.

 

Das ist passiert:

Mit dem Wahlausschreiben vom 7. September 2010 leitete der Wahlvorstand das Verfahren zur Wahl der Schwerbehindertenvertretung ein. Darin heißt es auszugsweise:

Die öffentliche Sitzung des Wahlvorstandes zur Auszählung der Stimmen und Feststellung des Wahlergebnisses findet am 26. Oktober 2010, 13.00 Uhr. Der Wahlvorstand fasste in seiner Sitzung vom 29. September 2010 u.a. folgenden Beschluss:

Die Briefwahlunterlagen (Freiumschläge) werden am 26.10.2010 unmittelbar vor Wahlabschluss geöffnet. Der Wahlvorstand sowie die eingeteilten Wahlhelfer, L und R treffen sich dazu am 26.10.2010 um 11.00 Uhr im Besprechungsraum des Betriebsrats. Dieser ist bereits reserviert. Die Freiumschläge wurden am 26. Oktober 2010 in der Zeit von 11:00 Uhr bis 12:45 Uhr bei offen stehender Tür im Besprechungsraum des Betriebsrats geöffnet.
 

Das entschied das Gericht:

Die Öffentlichkeit der Wahl ist Grundvoraussetzung für eine demokratische Willensbildung. Sie sichert die Ordnungsgemäßheit und Nachvollziehbarkeit der Wahlvorgänge und schafft damit eine wesentliche Voraussetzung für begründetes Vertrauen der Wähler in den korrekten Ablauf der Wahl. Interessierte Personen sollen die Möglichkeit erhalten, die Ordnungsmäßigkeit der Feststellung des Wahlergebnisses beobachten zu können, damit der Verdacht von Wahlmanipulationen "hinter verschlossenen Türen" nicht aufkommen kann. Öffentlichkeit i.S.d. § 12 Abs. 1 SchwbVWO ist die Betriebsöffentlichkeit.

Gerade bei der schriftlichen Stimmabgabe ist die Kontrollmöglichkeit von besonderer Bedeutung. Denn anders als bei der persönlichen Stimmabgabe fehlt dem Wähler hier die Möglichkeit, die Stimmabgabe unmittelbar zu beobachten und zu kontrollieren. Zwar ist nicht notwendig, dass der Hinweis auf die Zeit und den Ort der Öffnung der Freiumschläge bereits im Wahlausschreiben enthalten ist. Jedenfalls hat aber eine rechtzeitige Bekanntgabe zu erfolgen. Wird von der öffentlich bekanntgegebenen Uhrzeit abgewichen, genügt es nicht, dass die Tür zum Auszählungsraum während der Öffnung der Freiumschläge offen steht. Auch reicht es nicht aus, dass die genaue Zeit der Öffnung der Freiumschläge jederzeit beim Wahlvorstand erfragt werden kann.

 


Bundesarbeitsgericht vom 10.07.2013 – 7 ABR 83/11