Aushang des Wahlausschreibens: Auf die tatsächliche Möglichkeit zur Wahrnehmung kommt es an!

 

 

Das Wahlausschreiben ist dann an einer geeigneten und zugänglichen Stelle im Betrieb ausgehängt, wenn es für möglichst viele Beschäftigte tatsächlich einsehbar ist und infolgedessen möglichst viele Wahlberechtigte Kenntnis von der Wahl erlangen können. Erfolgt der Aushang lediglich an einer kaum einsehbaren Stelle, so kann dies zur Anfechtung der Wahl führen.

 

Das ist passiert:

Im Rahmen der Wahlen der Vertrauensperson und ihrer Stellvertreter wurde das Wahlausschreiben lediglich in einer von insgesamt vier Kaffeeecken des Betriebes ausgehängt. Diese befand sich zwar in der Nähe des Haupteingangs, wurde allerdings nur von einem Teil der Belegschaft tatsächlich besucht. In den drei anderen, räumlich entfernten („dezentralen“) Kaffeeecken, wie auch dem zentralen Café, erfolgte hingegen kein Aushang; ebenso wurde das Wahlausschreiben auch nicht im Durchgangsbereich vor den Räumlichkeiten des Betriebsrats (wo das Wahlausschreiben der letzten BR-Wahl ausgehängt worden war) bekannt gemacht.

Die Arbeitgeberin erblickte hierin einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 SchwbVWO, demzufolge das Wahlausschreiben an einem geeigneten (und den Wahlberechtigten zugänglichen) Ort auszuhängen ist, und focht die Wahl an. Die gewählten Kandidaten waren hingegen der Ansicht, die betreffende Kaffeeecke sei aufgrund ihrer Erdgeschosslage sowie der Nähe zu Haupteingang und Behindertenparkplatz des Betriebes der beste Ort für den Aushang des Wahlausschreibens gewesen.

In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht Stuttgart dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben und sowohl die Wahl der Vertrauensperson als auch die Wahl der stellvertretenden Vertrauensperson für unwirksam erklärt. Gegen diesen Beschluss hatten die gewählten Kandidaten Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg eingelegt. 

 

Das entschied das Gericht:

Das LAG Baden-Württemberg folgte zum einen dem Standpunkt des Arbeitsgerichts Stuttgart und wies die Beschwerden der gewählten Kandidaten ab. In seiner Begründung führt das LAG aus, dass die ausgewählte Kaffeeecke nicht geeignet im Sinne von Art. 5 Abs. 2 SchwbVWO ist, da sie gerade nicht von möglichst vielen (sämtlichen) Beschäftigten besucht werde: Neben dem Haupteingang (in dessen Nähe sich diese Kaffeeecke befindet) gibt es noch drei weitere Eingänge in die Betriebsgebäude, und wer diese benutzt, kommt eben nicht an der Kaffeeecke mit dem Wahlausschreiben vorbei wird deshalb auch keine Notiz von Wahlausschreiben nehmen.

Infolgedessen war der ganz wesentliche Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl nicht mehr gewahrt. Zum anderen beinhaltet die Entscheidung einen sehr hilfreichen Praxishinweis: Wenn das Wahlschreibens an derartigen, nur von einem Teil der Wahlberechtigten erreichbaren Orten ausgehängt wird, so muss der Wahlvorstand das Wahlausschreiben auch noch an weiteren Standorten aushängen, die von der übrigen Belegschaft tatsächlich besucht werden. 

Abschließend weist das LAG darauf hin, in dieser Entscheidung auf die in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entwickelten Kriterien zur Frage des geeigneten Ortes für den Aushang des Wahlausschreibens zurückgegriffen zu haben. Aus diesem Grund ist auch keine Rechtsbeschwerde zugelassen worden. 

 

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Juni 2020, 4 TaBV 5/19