Wann wird förmlich gewählt?

Beschäftigt ein Betrieb 50 oder mehr Wahlberechtigte, greift das förmliche Wahlverfahren. Es wird auch angewendet, wenn – bei weniger als 50 Wahlberechtigten – der Betrieb aus weit auseinander liegenden Teilen besteht. In diesen Konstellationen kann man nicht einfach mal schnell für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung zusammenkommen. Damit auch hier jeder Wahlberechtigte alle notwendigen Informationen zum Ablauf der Wahl und den Wahlbewerbern erlangen kann, verlangt der Gesetzgeber mehr bürokratischen Aufwand bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl als im vereinfachten Verfahren. Dazu gehört im förmlichen Wahlverfahren zum Beispiel der Aushang eines Wahlausschreibens, feste Vorgaben für die Form der Wahlvorschläge und viele Fristen. Zuständig ist hierfür der Wahlvorstand, welcher ganz zu Beginn des förmlichen Wahlverfahrens bestellt wird.

So funktioniert das förmliche Wahlverfahren

 

Gelungene Durchführung von A bis Z

Das förmliche Wahlverfahren beginnt mit der Bestellung eines dreiköpfigen Wahlvorstands. Diesen bestellt die amtierende Schwerbehindertenvertretung spätestens acht Wochen vor Ablauf ihrer Amtszeit. Existiert in einem Betrieb keine Schwerbehindertenvertretung (mehr), wird der Wahlvorstand in einer Versammlung der Wahlberechtigten mit der Mehrheit der Anwesenden gewählt. Einladen hierzu können drei Wahlberechtigte, der Betriebsrat oder das zuständige Integrationsamt. Die Einladung muss so rechtzeitig erfolgen, dass alle Wahlberechtigten an der Versammlung teilnehmen können.

Was sind „weit auseinander liegende Betriebsteile“?

„Weit auseinander liegende Betriebsteile“ sind dann anzunehmen, wenn ohne die Durchführung eines förmlichen Wahlverfahrens kein reibungsloser Ablauf mehr gewährleistet ist. Dies ist der Fall, wenn wegen der Entfernung der Betriebsteile nicht mehr gewährleistet ist, dass die Wahlberechtigten alle notwendigen Informationen über den Ablauf der Wahl, die Wahlbewerber und deren Eignung für das Amt der Schwerbehindertenvertretung erlangen können. Hierfür gibt es keine feste Kilometer- oder Zeitgrenze. Vielmehr muss der Begriff unter Berücksichtigung der Umstände im jeweils konkreten Einzelfall ausgelegt werden. Das Bundesarbeitsgericht entschied beispielsweise, dass „weit auseinanderliegende Betriebsteile“ bei einer Entfernung von 60 km und mehr als 1,5 Stunden Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln gegeben sind (Bundesarbeitsgericht vom 07.04.2004 – 7 ABR 42/03).

Aufgaben des Wahlvorstands

Der Wahlvorstand hat die Wahl unverzüglich einzuleiten. Er legt Ort, Tag und Zeit der Stimmabgabe fest. Er beschließt nach Absprache mit der amtierenden SBV, dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber, wie viele Stellvertreter gewählt werden sollen. Ihre Zahl sollte sich nach der Anzahl der Wahlberechtigten richten. Es kommt darauf an, dass bei zeitweiliger Verhinderung der Vertrauensperson stets ein Stellvertreter zur Verfügung steht, der im Interesse der Schwerbehinderten tätig werden kann. Umgehend nach seiner Ernennung stellt der Wahlvorstand eine Liste der Wahlberechtigten (die Wählerliste) auf und legt sie zur Einsicht aus. Der Arbeitgeber muss ihm die dafür erforderlichen Auskünfte und Unterlagen geben. Die Liste ist äußerst wichtig. Denn nur wer eingetragen ist, darf an der Wahl teilnehmen. Bei Fehlern kann gegen die Wählerliste Einspruch eingelegt werden. 

Spätestens sechs Wochen vor dem Wahltag gibt der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben heraus. Dieses enthält alle für die Wahlberechtigten wichtigen Informationen rund um die Wahl. Insbesondere werden hier die Formalien für die Wahlvorschläge erläutert. Diese können die Wahlberechtigten innerhalb einer zweiwöchigen Frist getrennt für das Amt der Vertrauensperson und das des Stellvertreters beim Wahlvorstand einreichen. Jeder Wahlvorschlag muss von einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten, mindestens jedoch von drei Wahlberechtigten unterzeichnet sein (so genannte Stützunterschriften). Der vorgeschlagene Bewerber muss zudem seiner Kandidatur schriftlich zustimmen. Zur Wahl stehen nur Bewerber, die in einem gültigen Wahlvorschlag genannt worden sind. Für den Fall, dass keine bzw. nicht genügend gültige Wahlvorschläge innerhalb der Einreichungsfrist eingehen, hat der Wahlvorstand eine Nachfrist von einer Woche zu setzen. Spätestens eine Woche vor Beginn der Stimmabgabe muss der Wahlvorstand die Namen der Kandidaten aus gültigen Wahlvorschlägen bekannt geben.

Aushang des Wahlausschreibens und Auslegen der Wählerlisten

  • Das Wahlausschreiben muss an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand ausgehängt und in gut lesbarem Zustand erhalten werden (§ 5 Abs. 2 SchwbVWO).
  • Die Wählerlisten sind „an geeigneter Stelle zur Einsicht auszulegen“ (§ 3 Abs. 2 SchwbVWO). 
  • Gehbehinderte Beschäftigte müssen in zumutbarer Weise die jeweiligen Aushangstellen aufsuchen und Einblick in die Wählerlisten erhalten können. Prüfen Sie: Ist der Aushang über Aufzüge, Rampen o. Ä. erreichbar? Sind die Bekanntmachungen für Rollstuhlfahrer barrierefrei zugänglich? 
  • Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl erfordert es, dass auch blinde oder stark in ihrer Sehfähigkeit eingeschränkte Wahlberechtigte die wesentlichen Teile des Wahlausschreibens zur Kenntnis nehmen können. Der Wahlvorstand kann daher bei entsprechenden individuellen Einschränkungen beschließen, dass sämtliche Unterlagen (Wahlvorschläge, Wählerlisten, Wahlordnung) auch in elektronischer Form veröffentlicht werden.
  • Achten Sie darauf, dass die Wahlunterlagen in geeigneter und gut lesbarer Schriftart und Schriftgröße vorliegen. 

Wichtig!

Eine elektronische Bekanntmachung des Wahlausschreibens ist im Gegensatz zu den BR-Wahlen (§ 3 Abs. 4 WO) bei SBV-Wahlen nicht vorgesehen.

Am Wahltag

Den technischen Ablauf der Stimmabgabe organisiert und beaufsichtigt der Wahlvorstand. Bei der Durchführung der Stimmabgabe und bei der Stimmenauszählung kann er zu seiner Unterstützung freiwillige Wahlhelfer heranziehen. Jeder Wähler hat eine Stimme für das Amt der Vertrauensperson und eine für das Amt des Stellvertreters. Sind mehrere Stellvertreter zu wählen, so kann jeder Wähler entsprechend vielen Bewerbern für dieses Amt jeweils eine Stimme geben. Die Abgabe der Stimme erfolgt geheim. Ein Wähler, der infolge seiner Behinderung in der Stimmabgabe beeinträchtigt oder des Lesens unkundig ist, kann eine Person seines Vertrauens zur Hilfeleistung hinzuziehen. Im förmlichen Wahlverfahren ist die schriftliche Stimmabgabe (Stichwort: Briefwahl) möglich, wenn Wahlberechtigte am Wahltag an einer persönlichen Stimmabgabe verhindert sind oder wenn der Wahlvorstand generell die schriftliche Stimmabgabe beschlossen hat. Letzteres bietet sich zum Beispiel an, wenn die Wege zum Wahllokal lang und für Gehbehinderte beschwerlich sind oder wenn die Wahlberechtigten Schwierigkeiten haben, sich für die Wahrnehmung ihres Wahlrechts aus den Arbeitsabläufen zu lösen.

Mitteilung des Wahlergebnisses

Das Wahlergebnis ermittelt der Wahlvorstand unverzüglich nach Abschluss der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung. Alle Interessierten (z.B. auch Beauftragte der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, Vertreter des Integrationsamtes sowie der Agentur für Arbeit) haben hierzu ein Anwesenheitsrecht. Gewählt für das Amt der Vertrauensperson ist der Bewerber, der die meisten Stimmen erhalten hat. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los (z.B. durch Münzwurf). Ist nur ein Stellvertreter zu wählen, so ist ebenfalls der Bewerber mit den meisten Stimmen gewählt. Sind mehrere Stellvertreter zu wählen, dann ist als erster Stellvertreter der Bewerber gewählt, der die meisten Stimmen erhalten hat. Als zweiter Stellvertreter ist der Bewerber mit der nächsthöchsten Stimmenzahl gewählt, und so weiter. Die Gewählten werden unverzüglich schriftlich von ihrer Wahl informiert. Erklärt ein Gewählter nicht binnen drei Arbeitstagen nach Zugang der Benachrichtigung dem Wahlvorstand, dass er die Wahl ablehnt, so gilt die Wahl als angenommen. Sobald die Namen der Vertrauensperson und ihrer Stellvertreter endgültig feststehen, hat der Wahlvorstand sie bekannt zu machen sowie unverzüglich dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat mitzuteilen.

Häufige Fragen zum förmlichen Wahlverfahren

Der Wahlvorstand wird durch die amtierende SBV oder Versammlung der Wahlberechtigten (falls keine SBV besteht) eingesetzt (§ 1 SchwbVWO). Dieser muss zwingend aus drei Mitgliedern bestehen und darf an der Zahl nicht verändert werden (§ 1 SchwbVWO). Ersatzmitglieder können und sollen jedoch bestellt werden. Das sichert die Funktionsfähigkeit des Wahlvorstands. Der Wahlvorstand ist bei Anwesenheit von mindestens zwei Mitgliedern handlungsfähig. 

Achtung: Alle Mitglieder müssen zumindest geladen gewesen sein. Soweit Stellvertreter vorhanden sind, müssen diese anstelle des verhinderten Mitglieds geladen werden.

Die Benennung des GdB in der Wählerliste ist aus Gründen des Datenschutzes unzulässig (und darüber hinaus auch unnötig). Die Einsichtnahme erfolgt unter Aufsicht des Wahlvorstands („Auslage“), z.B. im Büro der SBV. Deshalb bedarf es keinem offenen Aushang, z.B. am schwarzen Brett. Berechtigte Personen zur Einsicht sind:

  • aktiv Wahlberechtigte 
  • Beschäftigte mit berechtigtem Interesse an einer ordnungsgemäßen Wahl (insbesondere amtierende SBV, BR, sowie Kandidaten)
  • Arbeitgeber und Inklusionsbeauftragte im Hinblick auf eine zukünftige Zusammenarbeit

Ein Aushang ist zwingend erforderlich. Der Versand des Wahlausschreibens via E-Mail und eine Veröffentlichung auf der Internet-Seite der SBV sind sinnvolle Ergänzungen. Allerdings sind sie keine Alternative zum Aushang! Für Aushänge in mehreren Betriebsstellen oder entfernten Arbeitsstätten ist es ratsam auf Hilfe der Vertreter von BR bzw. Arbeitgeber zurückzugreifen.

Erstellen Sie immer getrennte Wahlvorschläge für die Wahl der Vertrauensperson einerseits und den Stellvertreter andererseits. Eine getrennte Erteilung der Stützunterschriften durch die Wahlberechtigten ist möglich. Kommunizieren Sie im Vorfeld, dass die Stützunterschrift eines Wahlberechtigten auf mehreren Wahlvorschlägen für dasselbe Amt verfällt (untergeht), wenn er sich auf Verlangen des Wahlvorstands nicht binnen drei Arbeitstagen für eine der Unterschriften entscheidet. Der Wahlvorstand benötigt die Unterschriften im Original. Die persönliche Übergabe (Einreichung) der Wahlvorschläge erfolgt im Büro des Wahlvorstands Zug um Zug gegen eine schriftliche und von einem Mitglied des Wahlvorstands unterschriebene Eingangsbestätigung.

   

Das vereinfachte Wahlverfahren...

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