Gut, dass es sie gibt! Von einer SBV im Betrieb profitieren alle!
Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) ist im Betrieb oder in der Dienststelle das Organ, das die Interessen aller schwerbehinderten (und ihnen gleichgestellten) Arbeitnehmer vertritt. Genau wie der Betriebsrat hat ein Schwerbehindertenvertreter bestimmte Aufgaben, Rechte und Pflichten und wird in sein Amt gewählt.
Das Sozialgesetzbuch (SGB) IX verfolgt das Ziel, die Teilhabe von schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu fördern und Benachteiligungen zu vermeiden bzw. ihnen entgegenzuwirken. Damit ihre Belange in den Betrieben Gehör finden, hat der Gesetzgeber die Schwerbehindertenvertretung (SBV), auch „Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen“ genannt, geschaffen.
Damit die Interessenvertretung lückenlos erfolgen kann – auch bei Urlaub oder Krankheit der Vertrauensperson – muss wenigstens ein stellvertretendes SBV-Mitglied gewählt werden. Scheidet die Vertrauensperson vorzeitig aus dem Amt aus, rückt der mit der höchsten Stimmenzahl gewählte Stellvertreter für den Rest der Amtszeit nach.
Welche Aufgaben hat die Schwerbehindertenvertretung?
Die Aufgaben der SBV sind in § 178 SGB IX umrissen: Sie fördert die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb, vertritt ihre Interessen und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Zu Ihren Kernaufgaben gehören:
Kontrolle
Überwachung der zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen; insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach §§ 154, 155 und §§ 164 bis 167 SGB IX obliegenden Verpflichtungen.
Anträge
Beantragung von (insbesondere auch präventiven) Maßnahmen, die den schwerbehinderten Arbeitnehmern dienen.
Feedback-Management
Entgegennahmen von Anregungen sowie Beschwerden von schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Kollegen.
Feststellung der Schwerbehinderung/Gleichstellung
Unterstützung der Beschäftigten bei der Antragsstellung auf Feststellung einer (Schwer-)Behinderung bzw. einer Gleichstellung.
Um ihren Aufgaben gerecht zu werden, besitzt die Schwerbehindertenvertretung umfassende Informations-, Anhörungs- und Mitwirkungsrechte. Der Arbeitgeber muss die SBV in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen schwerbehinderten Menschen oder die schwerbehinderten Arbeitnehmer als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören. Er muss ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitteilen. Solche „Angelegenheiten“ sind beispielsweise die Integration (schwer-)behinderter Mitarbeiter, die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsumfeldes sowie die berufliche Weiterbildung schwerbehinderter Arbeitnehmer.
Wird die Schwerbehindertenvertretung – entgegen der Anhörungspflicht – bei einer Entscheidung nicht beteiligt, so kann die SBV verlangen, dass die Entscheidung für die Dauer von einer Woche ausgesetzt und die Beteiligung nachgeholt wird. Ist die Entscheidung bereits vollzogen oder durchgeführt worden, bleibt die fehlende Anhörung der Schwerbehindertenvertretung allerdings folgenlos. Eine Personalmaßnahme wird durch die fehlende Anhörung nicht unwirksam (Ausnahme: Kündigung).
Im Rahmen der Veranlagung zur Ausgleichsabgabe muss der Arbeitgeber der Schwerbehindertenvertretung außerdem Abschriften der Verzeichnisse der bei ihm beschäftigten schwerbehinderten sowie diesen gleichgestellten behinderten Menschen aushändigen (§ 163 Abs. 1 SGB IX). Die SBV sollte die Abschriften auf ihre Vollständigkeit hin prüfen, soweit sie selbst Arbeitskollegen bei der Stellung von Anträgen auf Anerkennung der Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung unterstützt.
Teilnahmerechte der Schwerbehindertenvertretung
Die SBV hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebsrats und dessen Ausschüssen (z. B. Ausschuss für Arbeitssicherheit) beratend teilzunehmen, unabhängig davon, ob die zu besprechenden Themen die Belange der behinderten Kollegen betreffen oder nicht. Dementsprechend muss der Betriebsrat die Vertrauensperson zu allen Terminen unter Beifügung der Tagesordnung einladen. Die Schwerbehindertenvertretung kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne Schwerbehinderte oder schwerbehinderte Arbeitnehmer als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen (§ 178 Abs. 4 SGB IX). Umgekehrt kann sie auch beantragen, einen Beschluss des Betriebsrats auszusetzen, wenn sie glaubt, dass damit eine Beeinträchtigung wichtiger Interessen von behinderten Kollegen verbunden ist, oder wenn sie nicht an der Sitzung beteiligt worden ist. Der beanstandete Beschluss muss dann für die Dauer einer Woche ausgesetzt werden. Danach muss der Betriebsrat erneut entscheiden.
Auch bei den „Monatsgesprächen“ zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat muss die SBV hinzugezogen werden.
Eine wichtige Rolle hat die Vertrauensperson außerdem beim sogenannten „Betrieblichen Eingliederungsmanagement“ (BEM): Bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern sucht der Arbeitgeber gemeinsam mit den Interessensvertretungen und den Betroffenen (sofern dieser zustimmt) nach Lösungen, damit die Arbeitsunfähigkeit überwunden und so der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Rechtliche Stellung der Vertrauensperson
Die persönlichen Rechte und Pflichten der Vertrauensperson richten sich nach § 179 SGB IX: Ihr Amt ist ein Ehrenamt, in dessen Ausübung sie nicht behindert werden darf. Wegen ihres Amtes darf die SBV weder benachteiligt noch begünstigt werden. Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Hieraus folgt, dass sie während ihrer Amtszeit die gleiche Förderung erfahren muss, wie es bei einem vergleichbaren Arbeitnehmer der Fall ist bzw. sein würde.
Die Vertrauensperson unterliegt der Schweigepflicht. Dies gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Sie wird von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts befreit, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Dies gilt auch für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die für die Schwerbehindertenvertretung angeboten werden.
Schwerbehindertenvertreter sollen ihr Amt neutral, frei von Weisungen und unabhängig ausüben können. Deshalb hat die SBV den gleichen Kündigungsschutz wie ein Mitglied des Betriebs- bzw. Personalrats (§ 179 Abs. 3 SGB IX i. V. m. § 15 KSchG). Während ihrer Amtszeit und innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit ist eine ordentliche Kündigung der Vertrauensperson durch den Arbeitgeber unzulässig. Eine dennoch ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
Dieser Schutz bezieht sich jedoch nur auf eine arbeitgeberseitige Kündigung. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Ablauf einer Befristung oder durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages wird davon nicht erfasst.
Ist die Vertrauensperson selbst schwerbehindert, dann tritt zum Kündigungsschutz, der ihr aus ihrer Funktion als Schwerbehindertenvertretung erwächst, noch der besondere Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch (nach §§ 168 ff. SGB IX) hinzu.
Gibt es einen Anspruch auf Freistellung?
Die SBV muss von der Arbeit freigestellt werden, soweit es erforderlich ist, um ihre Aufgaben als Vertrauensperson wahrzunehmen. Wenn in einem Betrieb regelmäßig wenigstens 100 schwerbehinderte Menschen beschäftigt sind, muss der Arbeitgeber die Vertrauensperson auf ihren Wunsch hin komplett von der Arbeit freistellen; weitergehende Vereinbarungen sind zulässig. Freigestellte Vertrauenspersonen dürfen von inner- oder außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsförderung nicht ausgeschlossen werden. Nach der Beendigung ihrer Freistellung muss der Arbeitgeber ihnen im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebs Gelegenheit geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene berufliche Entwicklung nachzuholen.